Bekanntermaßen bin ich ein Verfechter des Kooperativen Lernens. Es ist ein Konzept für Unterricht, dass sich nicht nur innovativen Methoden bedient, sondern allen Unterrichtsformen seine Daseinsberechtigung gibt. Die Frage ist immer, was erreicht werden soll, danach wird die Methode gewählt: „Die Form folgt der Funktion.“ Durch das Konzept soll kein Fachwissen in den Gehirnen der Schülerinnen und Schülern verankert werden. Es werden Kompetenzen geschult, die eine Handlungskompetenz hervorrufen. Soweit so gut.
Ein Filmtipp
Nun habe ich von einem meiner Seminarteilnehmer einen Filmtipp bekommen. ((„Das Wissen vom Lernen“ von Erika Fehse aus dem Jahr 2005)) In diesem Film wird von einer Studie berichtet, die zu dem Entschluss gekommen ist, es sei egal, in welcher Sozialform der Unterricht abgehalten wird. Wichtig sei hingegen alleine die Lehrerpersönlichkeit, denn nur diese sei für den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler ausschlaggebend. Die Ergebnisse der Studie werden zwar genannt, aber leider wird nicht gesagt, wie die Studie lautet, wo man sie findet etc. Aber glauben wir dem Ganzen mal einen Augenblick. Meine Gedankten kreisten nach dieser Theorie ein wenig hin und her.
Fragen zur der Theorie
- Ist guter Unterricht dann nur von der Lehrerpersönlichkeit abhängig?
- Wie definieren wir die Lehrerpersönlichkeit, die für unsere Kinder und Schüler dann optimal ist?
(Streng? Witzig? Offen? Gemein? Ehrlich?
Niederträchtig? Befehlend? Groß? Klein?
Politische Meinung? Glaubensbekenntnis?) - Wenn wir die optimale Form der Lehrkraft definiert haben, wie soll dann, nach diesen neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen, die Ausbildung der Lehrkräfte sein?
- Müssen alle Referendare eine Gehirnwäsche durchleben, die sie zu einem guten Menschen nach Auffassung der Studie oder noch besser des Staates machen?
- Wie sehen die Kriterien für guten Unterricht dann aus?
- Wie sollen die zweiten Staatsexamen bewertet werden?
- Braucht man dann gar keinen Unterricht mehr zu sehen, sondern genügt es, wenn man ein Gespräch mit dem Prüfling führt und dann erkennt, ob er ein guter Mensch, also auch ein guter Lehrer ist?
- Wenn der Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler einzig von der Persönlichkeit der Lehrkraft abhängt, sind dann alle Lehrkräfte in den Schulen, die für die miserablen PISA-Ergebnisse verantwortlich sind, schlechte Lehrer und im Kern dann schlechte Menschen?
Zurück zur Studie
Nochmals zurück zu der Studie: Leider ist auch nicht bekannt, was als Lernerfolg gewertet wurde. Geht es um Fachwissen, was bei den Schülerinnen und Schüler abrufbar war oder haben sie, wie es in den Lehrplänen verankert ist, Kompetenzen entwickelt und konnten diese auf andere Sachverhalte anwenden? Leider schweigt sich der Film auch an dieser Stelle aus. Eine endgültige Bewertung der gemachten Aussage kann somit nicht stattfinden.
Menschenbild des Lehrers
Die Lehrerpersönlichkeit ist sicherlich ein wichtiger Bestandteil des Unterrichts, aber vielmehr ist in meinen Augen das Menschenbild der Lehrkräfte von Bedeutung. Denn solange Kolleginnen und Kollegen Schülerinnen und Schüler nicht respektieren, sie nicht mit ihren persönlichen Erfahrungen und Problemen ernst nehmen und vergessen haben, dass auch sie mal jung waren und die Probleme mit Freund, Freundin, Familie, Haustier und sich selbst in manchen Situationen um ein vielfaches wichtiger sein können, als der Unterrichtsstoff, solange kann keine Atmosphäre herrschen, die einlädt zu lehren und zu lernen.
Kompetenzzuwachs
Auch wenn die Lehrkraft von den Schülerinnen und Schüler noch so gemocht wird, kann sie keinen Komptenzzuwachs bei den Schülerinnen und Schüler erreichen, wenn sie stetig und fortwährend im tradierten lehrerzentrierten Unterricht unterrichtet. Es ist einfach nicht möglich Teamfähigkeit oder Kommunikationsbereitschaft zu erlangen, wenn eine Lehrkraft einen Vortrag hält. Ein wirkliches Verständnis der Dinge kann nicht erreicht werden, wenn man die Sachverhalte vorgekaut bekommt. Die Schülerinnen und Schüler müssen sich selbst Gedanken zu dem Themen machen und sich auf ihrem Niveau (( Sowohl sprachlich, als auch intellektuell. )) austauschen, sich befruchten, Thesen aufstellen und diese überprüfen.
Damit ich nicht falsch verstanden werde, ein Lehrervortrag hat sicherlich in vielen Fällen eine Daseinsberechtigung, aber der tradierte Frontalunterricht, in dem nahezu ausschließlich die Lehrkraft den Redeanteil in der Klasse hat, kann nicht der Ersatz für einen Diskurs unter den Schülerinnen und Schüler sein. Außerdem kann er viele, der in den Lehrplänen geforderten, Kompetenzen nicht erreichen, da die Kompetenzen bei den Schülerinnen und Schüler entstehen und nicht durch einen Vortrag übertragen werden können.
Die Spezialisten
Die eigentlichen Spezialisten, die diese Frage doch am besten beantworten könnten, sind die Schülerinnen und Schüler. Vielleicht sollte man die mal fragen….
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