Wie bin ich dazu gekommen, Lehrer zu werden?

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In der letzten Zeit werde ich immer wieder gefragt, warum ich eigentlich Lehrer geworden bin und wie man eigentlich Lehrer wird.  Ich werde hier nicht den Weg beschreiben, sondern ausschließlich meinen Weg aufzeigen, aber unter Umständen inspiriert er Dich oder regt Dich an bestimmten Stellen an – oder auf.

Der Abiturient

Zunächst habe ich mein Abitur ganz normal an einem Gymnasium in meiner Heimatstadt gemacht. Während der Oberstufe war natürlich das Thema unter uns Schülerinnen und Schülern, was wir nach dem Abitur machen wollten. Irgendwie schwirrte mir schon da der Lehrerberuf  im Kopf herum. Die tatsächliche Motivation zu diesem Wunsch kann ich heute gar nicht mehr nachvollziehen. Da aber viele aus meinem Jahrgang sagten, sie wollten Lehramt studieren, weil sie nicht genau wüssten, was sie sonst studieren sollten, wollte ich nicht mit denen in einen Topf geworfen werden, die aus Verlegenheit Lehrer werden.

Auch bei uns gab es verschiedenste Berufsfindungseinheiten in der Schule. Unter anderem waren wir im BIZ1 der nächst größeren Stadt und dort gab es damals schon Computer, die einem auf Grund seiner Interessen offenbarten, welche Berufe für einen geeignet seien. Bei mir waren es zwei Berufe als Spitzenreiter: Dramaturg und Offizier bei der Bundeswehr. Ein Berufsfeld der beiden Empfehlungen habe ich mir dann mal genauer angeschaut.

Der Soldat

Die Entscheidung, was ich unmittelbar nach dem Abitur machen sollte, wurde mir vom Staat abgenommen, indem er mich zum Wehrdienst zog. Somit war ich Soldat im 5. PzGrenBtl 212 in Augustdorf und tat die Dinge, die ein Soldat eben tun sollte. Auch wenn ich die kriegerische Ausbildung in der heutigen Zeit anders sehe, als ich es damals tat, möchte ich weder die Ausbildung an den Waffensystem, das Erleben von körperlichen und psychischen Grenzen, die Kameradschaft, die Struktur, die Erfahrung der klaren Hierarchie, das Schlafen mit mehreren Personen auf engstem Raum in der Stube oder der Natur und noch ganz andere Erfahrungen missen.

Eine Offizierslaufbahn (für die ich eine Empfehlung hatte) kam für mich nicht in Frage. Zuviel Abhängigkeit, zuviel Gefahr, zuviel Zeit des Nichtstuns…

Der Friseur

Nach dem Wehrdienst habe ich mich entschieden, Maskenbildner zu werden. In meinem letzten  Jahr an der Schule hatten wir das Thema Metamorphose im Kunst Leistungskurs und ich habe als Arbeit einen Gipsabdruck meines Gesichts gemacht und darauf aus Ton ein Wolfsgesicht geformt. Das hat mir so viel Freude gemacht, dass ich diese Arbeit zu meinem Beruf machen wollte. Doch vorher stand die Ausbildung zu Friseur.

Die Tochter des Chefs meines Cousins hatte einen Salon, in dem ich vorstellig wurde und meine Ausbildung begann. Da ich nie das Ziel hatte als Friseur zu arbeiten, habe ich mich mit den rechtlichen Grundlagen auseinander gesetzt und bin mit dem Ziel angetreten, in zwei Jahren die Ausbildung abgeschlossen zu haben. Das erfordertet Einiges an Diskussion mit dem entsprechenden Stellen, aber es hat geklappt.

Während meiner Ausbildung hatte ich ganz tolle Lehrerinnen.2 Eine von den beiden hat mich direkt angefixt und mir die Augen geöffnet: Es gibt die Spezies der Berufschullehrer(innen). Unglaublich! Das hatte ich noch nie gehört, aber logisch, es gibt Lehrpersonen für Berufe! Das war’s – das war mein Beruf!

Der Student

Nach der bestandenen Ausbildung habe ich mich in der Universität in Hamburg eingeschrieben und dort Körperpflege  (Der Link geht auf den Masterabschluss, ich habe aber noch ein richtiges Examen.)  und Germanistik studiert. Zu Beginn des Studium gab es für den Bereich der Körperpflege keine eigene Professur. Erst im Laufe der Zeit bekamen wir eine Professorin, die noch heute den Fachbereich leitet.

Während des Studiums entschied ich mich bewusst für eine Unabhängigkeit. Ich habe kein Bafög mehr empfangen und auch kein Geld mehr von meinen Eltern erhalten. Ich bin dann für meinen Lebensunterhalt arbeiten gegangen. Als Programmierer und Webdesinger habe ich in einem Verlagshaus in Hamburg gearbeitet und gutes Geld verdient. Leider blieben da einige Seminare auf der Strecke.

Dann verlangte der Zufall es, dass ich mich Selbstständig machte. Ich arbeitete als Designer und Medienberater und verdiente auch hier ausreichend Geld, kam dann aber an einen Scheidepunkt, der mich veranlasste nachzudenken, wohin ich gehen wollte: Sollte ich neue Räumlichkeiten anmieten, um in der Selbstständigkeit Fuß zu fassen oder das Examen machen und mein Studium beenden?

Der Selbstständige

Als Medienberater und Designer habe ich nicht nur Projekte in der House-Szene unterstützt, sondern auch ortsansässige Firmen in Hamburg zu Werbung und Erfolg verholfen. Das Ganze habe ich immer aus meinem Wohnzimmer heraus geleitet. Kunden konnte ich dort natürlich nicht empfangen. Als das Unternehmen dann Formen annahm, die es erforderten auf größerem Raum zu arbeiten und weitere Büroräume verlangten, habe ich mich entschlossen, meine Arbeiten in der Selbstständigkeit ruhen zu lassen und mich auf mein Examen zu konzentrieren.

Der Examenskandidat

Ich war quasi scheinfrei, als ich vor hatte, mich zum Examen zu melden. Aber einige Scheine musste ich dann noch einfordern. Das hat mich bei dem einen oder anderen Professor ganz schön schwitzen lassen. Da ich aber die Argumente immer auf meiner Seite hatte, konnten die  Entscheider in der Regel nicht anders konnten, als mit armen, zu Kreuze kriechenden Tropf die Schriftstücke auszuhändigen.

Während des Examens und der Vorbereitung darauf habe ich täglich 8 Stunden am Schreibtisch gesessen und studiert. Sowohl die Examensarbeit, als auch die Vorbereitungen für die Klausuren und die mündlichen Prüfungen wurden sukzessive abgearbeitet. Während der Zeit lebte ich von meinen Ersparnissen. Ich habe nebenbei kein Geld mehr verdient, sondern mich voll auf das Examen konzentriert.

Ich habe nicht nur viel Fachliches gelernt, sondern auch einige andere Dinge:

  • Mnemotechniken
  • Selbstmotivation
  • Disziplin
  • Ruhe
  • Selbstmanagement
  • Wissensmanagement
  • Sicheres Auftreten bei völliger Ahnungslosigkeit

Der Referendar

Nachdem ich das Examen dann in der Tasche hatte, habe ich mich im Speckgürtel von Hamburg an allen beruflichen Schulen und Seminaren beworben. Schleswig-Holstein rief eines Tages an und fragte, ob ich nicht nach Kiel wolle. Dort sei gerade eine Stelle zur Ausbildung frei. Ich forderte Bedenkzeit und entschied mich dann, für das Referendariat nach Kiel zu ziehen. Meine Frau blieb beruflich bedingt noch in Hamburg.

Mir kam zu gute, dass ich gerade in dem Studiermodus der Examensvorbereitung war und mich so auch auf die Dinge einlassen konnte, die von den Studienleitern, den Mentoren und der Schulleitung gefordert, gefördert und vorgeschlagen wurden.

Innerhalb meines Referendariats hat sich in der Tat ein Paradigmenwechsel eingestellt. Weg von der Lehrperson, wie ich sie noch in meiner Schulzeit kennengelernt habe, hin zu einer Lehrperson, die Schülerinnen und Schüler das Lernen im Unterricht ermöglicht. Dieser Weg ist noch lange nicht gänzlich beschritten.

Mein 2. Staatsexamen habe ich dann auch bestanden und fühlte mich wohl an der Schule. Obwohl es sich um eine Ausbildungsschule handelt, habe ich direkt nach dem Referendariat eine Festanstellung in der Beamtenlaufbahn erhalten.

Der Lehrer

Als Lehrperson habe ich viel in den Berufsvorbereitenden Maßnahmen, in der Berufsfachschule und natürlich bei den Friseuren gearbeitet. Der Umgang mit Schülerinnen und Schüler, die ja genau betrachtet, die eigentlichen Kolleginnen und Kollegen einer Lehrperson sind, hat mir immer Freude bereitet und auch das Feedback war in der Regel ein gutes.

Bei einigen Schülerinnen und Schüler ist der Kontakt nach der Schulzeit zwar sporadisch, aber immer noch aufrecht erhalten worden. Warum das so ist, sollte man mal die Schülerinnen und Schüler fragen 😉 (Liest hier einer von denen mit, dann mal in die Kommentare damit… )

Der Studienseminarleiter

Als dann eine Stelle für meinen Bereich als hauptamtlicher Studienleiter ausgeschrieben wurde, habe ich mich darauf beworben und diese dann auch bekommen. Was bei mir aber ein lachendes und ein weinendes Auge hervorholte. Denn ich musste meine Schülerinnen und Schüler weitestgehend aufgeben. Meine Kernaufgabe ist es nun, Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst zu begleiten und auf den Schulalltag vorzubereiten.

Auch diese Arbeit erfüllt mich und macht riesige Freude.

Der Rückblick

Wenn man diesen Werdegang nun so liest, hört sich das an wie in einem Rutsch und völlig unproblematisch. Das war es aber nicht und ist es noch immer nicht. Es gibt und gab Zeiten, da wollte ich alles hinwerfen – einfach kein Bock mehr. Typischerweise kommen diese Gedanken immer kurz vor dem Ende eines Abschnitts:

  • Realschulabschluss reicht doch eigentlich…
  • Friseur – da verdienste doch nix.
  • Was bringt mir das alles überhaupt?
  • In Thailand ist es auch schön, da kann man sicherlich eine Bar aufmachen.
  • Warum sind die Prüfungen so wie Sie sind? Wenn ich was zu sagen hätte, dann würde ich das anders organisieren…
  • etc.

Diese Aggression nach Außen gilt es hinter sich zu lassen und nach vorne zu schauen. Ich habe mich entschieden, etwas zu tun, also mache ich das auch zu Ende. Sobald man die obigen Gedanken hinter sich gelassen hat, kommt man in einen Bereich, in dem der Wille die Steuerung übernimmt und er Schweinhund weitestgehend mundtot gemacht wurde.

Meister Yoda hat's drauf!

Um es mit den Worten von Meister Yoda zu sagen: Tu es oder tue es nicht. Es gibt kein versuchen.

 

  1. Berufsinformationzentrum []
  2. Eine davon habe ich in Schleswig-Holstein schon wieder getroffen. []

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