Erkenntnisvorgänge im Kooperativen Lernen (13.04.2011)

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Letzten Mittwoch bin ich mit einer Kollegin nach Hamburg gefahren, um an einem Arbeitskreis um Dr. Wolfgang Bürger teilzunehmen. Dieser Arbeitskreis befasst sich mit dem Thema der Erkenntnisbildung, also dem echten Lernen und Verstehen, im Unterricht.

Die Verbindung zwischen Erkenntnisvorgang und Kooperativen Lernen

Dadurch, dass ich mit Wolfgang Bürger schon während des Studiums in Hamburg engen Kontakt hatte, bin ich schon recht früh mit seinen Theorien in Berührung gekommen. Auch wenn mir diese zu der Zeit noch recht abgehoben vorkamen und ich nicht immer alles verstand, habe ich über die Jahre hinweg eine Idee davon entwickelt, was das Ziel seiner Forschung ist.

Während meines Referendariats kam ich das erste Mal mit dem Kooperativen Lernen in Berührung. Dieses Konzept, Unterricht zu planen und durchzuführen, hat mich schnell interessiert und in seinen Bann gezogen. Unter dem Mantel des Welpenschutzes, den man zum Teil im zweiten Teil der Ausbildung zur Lehrkraft genießt, habe ich viel kooperativ unterrichtet und musste feststellen, dass es funktioniert:

  • Die Schülerbeteiligung ist hoch,
  • die Klassen sind disziplinierter und
  • ich bilde mir ein, dass es in höheren Maße zum Verstehen des unterrichteten Stoffes kommt, als im tradierten Unterricht.

Im letzten Punkt liegt die Berührung mit den Arbeitskreis von Herrn Bürger.

Die Vorstellung

Frau Propf und ich haben versucht das Kooperativen Lernen dem Arbeitskreis  in wenigen Worten nahezubringen. Aber das ist, wie wir schon in vielen Gesprächen, Seminaren und Modulen festgestellt haben, sehr schwierig.

Es handelt sich eben nicht um nur eine Methode, die man mal zwischen Tür und Angel eben erklären kann. Es ist ein ganzheitliches Prinzip, nach dem Unterricht aufgebaut werden kann. Ein solches Prinzip ist aber immer schwerlich zu erklären und schwierig verständlich zu machen. Wir hatten das Gefühl, dass es uns in Ansätzen gelungen ist, dieses darzustellen und bei den Hörern eine Vorstellung, von dem was wir tun, zu erzeugen.

Die Erkenntnisse des Abends

Verstanden wurde, dass durch das Konzept viel Probleme, die in Schule und im Unterricht auftreten, gemindert werden können. Kritisch wurde jedoch hinterfragt, ob echte Erkenntnisse und Kompetenzen im Sinne Bürgers erreicht werden können.

Nach einer Diskussion über der Definition des Kompetenzbegriffs, kamen wir darüber ein, dass nicht das Konzept, das den Unterricht bestimmt, für einen Erkenntnisvorgang bei den Schülerinnen und Schülern wichtig ist, sondern die richtige und pointierte Stellung der Aufgaben. Eine Mischung zwischen dem Entwickeln von eigenen Gedanken und der Führung in die richtige Richtung1 machen das Erkennen von Strukturen des zu Lernenden erst möglich.

Berührungspunkte wurden bei allen Teilnehmern gesehen und der Austausch war befruchtend, sodass teilweise E-Mail-Adressen getauscht wurden.

Die Tage danach

Nachdem ich nun ein paar Tage über das Treffen nachgedacht habe, kann ich die theoretischen Ausführungen und die Kritik, bzw. die Bedenken gut verstehen. Dennoch, oder gerade deshalb, bin ich jetzt sogar davon überzeugt, dass Schülerinnen und Schüler im Kooperativen Lernen bessere Chancen haben, zu Erkenntnissen zu gelangen, als in einem tradierten Unterricht2. Denn durch die ständigen Phasen des Austausches und den fünf Basiselementen3 des Kooperativen Lernens, die im kooperativen Lernszenario gegeben sein müssen, stoßen die Schülerinnen und Schüler selbst immer wieder gegenseitig neue Denkimpulse an und diese befinden sich nicht nur auf der Sach- oder Fachkompetenzebene, sondern auch auf den anderen im Lehrplan geforderten Komptenzbereichen4. Sicherlich sind die Impulse nicht immer die, die von der Lehrkraft beabsichtigt wurden und auch nicht immer objektiv richtig5, aber die Schülerinnen und Schüler bilden sich durch den Diskurs eine Struktur der Wirklichkeit, die es dann zu bestätigen oder innerhalb einer Lernschleife zu widerlegen gilt.

Es bleibt ein spannende Frage, wie Erkenntnisvorgänge im Unterrichtsgeschehen besser integriert und gefördert werden können.

 

  1. Da stellt sich dann doch die Frage, was die richtige Richtung ist. Es wurde diskutiert, dass bei Fachwissen die richtige Erkenntnis und die dahinter liegende Struktur recht eindeutig erkennbar ist. In  Situationen, in denen die Menschlichkeit im Vordergrund steht, sei dieses nicht immer einfach zu definieren, da die Situation und die dahinterliegende Struktur hoch, wenn nicht sogar, höchst komplex ist. []
  2. Mit tradiert meine ich nicht nur den klassischen Lehrervortrag mit einem fragend-entwickeltem Unterricht, sondern auch die immer wieder falsch verstandene Gruppenarbeit und deren breites Spektrum. []
  3. Diese Grundelemente lauten: Positive gegenseitige Abhängigkeit, unterstützende Interaktion von Angesicht zu Angesicht, individuelle und Gruppenverantwortlichkeit, in Kleingruppen angemessen miteinander kommunizieren und bewerten in Gruppen. In der verschiedenen Literatur werden diese Elemente immer anders benannt, aber im Kern sind sie sich doch gleich. Im letzten Punkt bin ich der Meinung, dass es sich nicht immer um eine Bewertung der Gruppe handeln muss, sondern eine Reflexion in der Gruppe ausreicht und sogar in vielen Fällen nützlicher ist, als die eigentliche Bewertung. []
  4. Methoden-, Selbst- und Sozialkompetenz []
  5. Ich nehme hier einfach mal an, es gäbe eine objektiv richtige Wirklichkeit. []

2 thoughts on “Erkenntnisvorgänge im Kooperativen Lernen (13.04.2011)

  1. Lieber Marcel,

    was du beschreibst, finde ich in höchstem Maße interessant!

    Wenn du einmal Lust hast, mit mir in kleinem Rahmen über die Anknüpfungspunkte von kooperativen Lernformen und dem bei mir im Vordergrund stehenden individualisierten, selbstverantworteten Lernen zu parlieren, melde dich doch gern mal.

    vlg,
    Stefan

    P.S.: Das nächste Mal wenn du in Hamburg bist ohne Bescheid zu sagen, kostet es dich eine Kiste Bionade! 😉

  2. Moinsen,

    was mit Dir denn los? Ein Kasten BIOnade??? Bin doch nicht „Der Wendler“ (Insider!) Gut, schmeckt jetzt nicht schlecht, aber ich hätte doch lieber ein Sixpack oder eine Flasche Wein im Säckl 😉

    Und gerne würde ich mit Dir in einen Diskurs gehen. Zum Ende der Ferien scheint mir ein guter Zeitpunkt zu sein.

    Bis dann
    Marcel

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