Wie trenne ich im Unterricht Lern- und Prüfungszeit?

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Wie kommt man zu echten objektiven Noten?

Gar nicht! „Noten sind immer subjektiv“, so hat es ein Professor von mir kund getan! Es kann schon sein, dass man als Lehrperson genau weiß, wann die Schülerinnen und Schüler bewertet werden und wann sie lernen und Fehler machen dürfen. Viel wichtiger ist es, den Lernenden aufzuzeigen, in welcher Phase des Unterrichts sie sich gerade befinden.

Signalkarten

Eine Möglichkeit, den Schülerinnen und Schülern zu demonstrieren, in welcher Phase man sich gerade befindet, sind Signalkarten, die für alle sichtbar platziert werden. Diese zeigen in Schrift oder symbolhaft, ob die Schülerinnen und Schüler gerade bewertet werden oder nicht. Man sollte hier auf die Signalfarben rot und grün verzichten. Diese sind schon mit bestimmten Stereotypen belegt, die nicht bedient werden sollen.

Es ist immer Lernzeit

Eine weitere Möglichkeit ist es, den Schülerinnen und Schülern zu verdeutlichen, dass im Unterricht zunächst Lernzeit herrscht, bis die Lehrperson etwas anderes sagt. Dieses Sagen muss in Ruhe und Deutlichkeit geschehen. Alle Anwesenden müssen wissen, dass sie gleich bewertet werden können.

Glaubwürdigkeit

Wenn nun das System eingeführt werden soll, dann muss auch für die Lehrperson ganz klar sein, dass die Lernphasen bewertungsfrei sind. Das heißt nicht, die Schülerinnen und Schüler dürfen sich benehmen wie die Wilden! Das heißt sich nicht, dass die Schülerinnen und Schüler sich selbst überlassen sind. Es gilt immer noch: die Lehrperson hat die Verantwortung im Raum dafür, dass Lernen gelingen kann. Es gibt also Regeln, Rituale und unter Umständen auch Konsequenzen!

Was kann ich bewerten?

Als Lehrperson muss mir klar sein, was ich bewerten möchte. Geht es um die reine Sachlichkeit, geht es um Sozialkompetenz oder um Methodisches? Auch die entsprechenden Kriterien für die Leistungsbewertung müssen vorher klar sein. Egal für was sich die Lehrperson entscheidet, die Schülerinnen und Schüler müssen wissen, auf was der Fokus gelegt wird. Klar, können diese dann taktisch handeln und genau das ist doch auch eine hoch wichtige Kompetenz, mit seinen Ressourcen schonend umzugehen. Wenn das mehr Menschen lernen würden oder gelernt hätten, dann ginge sicherlich die Zahl der Burnouts zurück.

Im Grunde kann die Lehrperson alles bewerten, was im Unterricht geschieht, man muss es nur vorher bekannt geben.

Das Verrückte ist, dass man, wenn man sich für das Konzept Lern- und Leistungszeit interessiert, sich auf einmal fragt, was man wie bewerten kann. Im tradierten Unterricht ist es eigentlich doch klar: Die mündliche Mitarbeit! Aber was genau? Die Quantität der Beiträge? Die Qualität der Beiträge? Wenn man ehrlich ist, weiß man es auch nicht so genau. Irgendwie eine Mischung des Ganzen. Aber wissen die Schülerinnen und Schüler von dieser Mischung? Was genau muss ein Lernender machen, um sich in der mündlichen Mitarbeit zu verbessern? Mehr melden? Schneller melden? Das Richtige sagen? Vielleicht auch schneller denken, als die anderen? Es ist und bleibt schwierig.

In der Prüfungszeit kann kann sehr vieles bewertet werden: eine Präsentation, ein Handout, eine Mitschrift, eine Zusammenfassung, ein Arbeitszettel, eine Wiederholung, ein Kolloqium, eine Hausaufgabe, ein Text, eine Berichtigung, ein Hörspiel, ein Frage-Antwort-Spiel, ein Bild, Abgabe von freiwilligen Arbeiten etc.

  • Welche Ideen hast Du, Leistungen der Lernenden zu bewerten?
  • Warum trennst Du zwischen Lern- und Prüfungszeit in Deinem Unterricht?

Frag morgen Deine Schülerinnen und Schüler, ob jemand etwas zur Benotung abgeben möchte. Wenn Du Angst hast, dass alle etwas abgeben wollen, dann begrenze die Anzahl der Arbeiten auf fünf.

4 thoughts on “Wie trenne ich im Unterricht Lern- und Prüfungszeit?

  1. Hilft das wirklich? Mein düsterer Eindruck ist der, dass die heutigen (bayerischen) Schüler schon in der Grundschule die Bewertung ihrer Schulleistung mit einer Bewertung ihrer Person verknüpft haben. Ein schlechtes Übertrittszeugnis hatte schicksalshafte Auswirkungen, machte ihre Eltern unglücklich (was für Kinder einer Katastrophe gleichkommt), trennte sie von ihren Freunden und schrieb ihre Bildungskarriere (zumindest gefühlt) auf Jahre hinaus fest. Von da an bibbern die jungen Leute zu Recht, wenn Noten drohen. Sie sind süchtig nach guten Noten und stürzen in Depressionen, wenn sie schlechte bekommen, und das gilt selbst für viele derjenigen, die aufs Gymnasium übergetreten sind. Droht doch statistisch einem Drittel von ihnen, dass sie die Schulform ohne das Abi in der Tasche verlassen. – Wer soll da in der Lernzeit nach getaner Arbeit noch in Ruhe einen Soll-Ist-Vergleich durchführen?

    1. Vielen Dank für den Kommentar. Ich lese aus diesem Systemkritik und bei dieser Kritik in Bezug auf die Schulnoten grundsätzlich bin ich voll dabei! Für Eltern gilt eben noch immer der Leistungsgedanke und das Streben nach guten Noten. Das ist nicht zu verurteilen, denn diese wollen für die Zöglinge eine gute Bildung und diese ist in den Schulsystemen, wie wir sie leben, nur durch gute Noten möglich.

      Solange wir in einem System arbeiten, in dem die Noten eine Rolle spielen, bin ich der festen Überzeugung, diese Benotung so transparent wie möglich zu machen. Jede Schülerin und jeder Schüler soll genau wissen, warum er oder sie eine bestimmte Note bekommt. Wenn diese streng Kriterien geleitet sind und ich als Lehrperson mich an diese Kriterien halte, dann kommt es zu weniger Verwechslungen zwischen Leistung und Person, wie Sie es geschrieben haben.

      Einen Hinweis möchte ich hier noch geben: In Deutschland haben wir ein großartiges System der Beruflichen Bildung, in dem auch unabhängig von Ausbildung zu einem Beruf alle Bildungsabschlüsse erreicht werden können. Wenn man als Kind also nicht so der Überflieger ist und die Noten nicht die besten sind, gibt es immer noch die Möglichkeit auf gute Bildung und gute Noten im Berufsbildenden System. Hier eine Übersicht über die Bildungsgänge im der Beruflichen Bildung in Schleswig-Holstein: http://www.schleswig-holstein.de/DE/Landesregierung/IQSH/Arbeitsfelder/LSBB/Lehrplan/Material/BBinSH.pdf?__blob=publicationFile&v=3

  2. Beim Blick auf die Möglichkeit, auch außerhalb des zweiten Bildungsweges die höheren Schulabschlüsse zu erlangen, gilt es den Unterschied zwischen kindlichen und erwachsenen Erlebensweisen zu beachten. Kinder und Jugendliche leben in einem sehr ausgeprägten Gegenwartsbezug. Sie sind kaum in der Lage Zukunft zu antizipieren und in dieser Überlegung Trost und Hoffnung zu finden. In Bayern etwa mit einem Gedanken der folgenden Art: „Dann wechsele ich halt in den M-Zweig der Mittelschule, gehe anschließend auf die BOS und finde so meinen Weg in die erhofften Ausbildung“. Für sie zählt allein, dass sie aus dem Klassenverband ausgeschlossen werden und in dem Moment in erheblichem Maße als Verlierer stigmatisiert sind.

    Aber da sind wir beileibe wieder mitten in der von Ihnen erwähnten Systemkritik angelangt. Um die kommt man jedoch mit Blick auf das deutsche Bildungssystem und mit Wissen zur Entwicklungspsychologie kaum herum. Es ist mitunter nur schwer zu ertragen, was unsere Generation im Schulbereich wider besseren Wissens mit der nachfolgenden veranstaltet.

    1. Ich vermute, wir sind in der Systemkritik nicht weit auseinander und wünschen uns mehr eine Schule als Lern-Ort und nicht als Persönlichkeitsbewertungs-Ort. Ich fühle mich aber nicht in der Lage in die Politik zu gehen, um diese Dinge so zu ändern, so dass die Schulen auf der Basis der verschiedensten wissenschaftlichen Erkenntnissen endlich so gestaltet wird, wie es die von ihnen genannte Entwicklungspsychologie, aber auch die Gehirnforschung sein längerer Zeit als Visionen formulieren. Mein pragmatischer Ansatz ist dann der im Unterricht die Situation für die Schülerinnen und Schüler möglichst transparent und fair zu gestalten. Durch diese Gestaltung kommt es immer häufiger dazu, dass die Schülerinnen und Schüler verstehen, dass die Leistung bewertet wird und nicht sie als Person.

      Und natürlich geben ich Ihnen Recht, dass die Kinder (Mit denen ich in Schule sehr wenig Kontakt habe, da ich selbst in der beruflichen Bildung angesiedelt bin.) andere Denkmuster haben, nicht auf die strategische Ebene kommen und sich mit einem: „Du kannst Dein Abi ja noch im Beruflichen Gymnasium machen, nun lerne ersteinmal ein bisschen…“ abzuspeisen sind. Und gerade hier fände ich ein Vorgehen, wie ich es hier schildere wichtig, um den Schülerinnen und Schülern aufzuzeigen, dass ich als Lehrperson nicht sie als Person bewerte, sondern einzig die erbrachte Leistung.

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