Der Beruf des Lehrers ist kein Beruf, der ohne viel Belastung auskommt. Man hat viele intensive Sozialkontakte am Tag, wenig echte Pausen und nimmt sich Arbeit immer mit nach Hause. Wenn nun auch noch der Unterricht nach Lernen und Leisten / Prüfen unterteilt werden soll, dann fürchten viele Kolleginnen und Kollegen noch mehr Arbeit und noch mehr Vorbereitungs- und Korrekturzeit.
Ein Lügner bin ich nicht
Ich würde an dieser Stelle lügen, wenn ich schreiben würde, dass es nicht mehr Arbeit ist, mit dem Konzept der Lern- und Prüfungzeit zu arbeiten – jedenfalls am Anfang. Das ist doch ganz normal! Wenn ich Pfade, die ich im Moment betrete, verlassen möchte, dann muss ich neue Wege etablieren.
Immer wenn ich mich verändern will, dann muss ich Zeit und Arbeit investieren. Niemand geht davon aus, dass er nur einmal ins Fitnessstudio geht und dann aussieht wie Arni Schwarzenegger1 . Arbeit, Ausdauer und am Ball bleiben ist die Devise! Erst wenn sich das Lernen und Prüfen im Unterricht etabliert hat, werden die Früchte des Erfolges geerntet.
Warum wird es nicht umgesetzt?
Die Sinnhaftigkeit des Konzepts wird in der Regel erkannt und dennoch wird es nicht immer umgesetzt, nachdem es kennengelernt wurde. Viele Fragen die zu dem Prinzip aufkommen, lassen sich in der Regel damit erklären, dass mit der Einführung des Konzeptes eine Änderung der Unterrichtsstruktur wahrscheinlich ist. Aus meiner Sicht ist das der Punkt, der immer wieder Widerstände bei der Umsetzung oder dem Gedanken daran auslöst. Das Konzept scheint nicht mit dem täglich durchgeführten Unterricht zusammenzupassen. Der Unterricht muss auf die Lernenden und deren Lernen zentriert sein. Diese brauchen Zeit und Aufgaben, um zu lernen und zu denken. Denn es heißt ja Lernzeit und nicht Ich-lasse-mich-von-vorne-berieseln-Zeit.
Wenn man also beim Lesen dieser Zeilen Widerstände spürt, dann sollte man genauer hinschauen und sich fragen, was diese Widerstände auslöst. Das reine Einführen des Konzeptes oder der Rattenschwanz, den es mitsichbringt? Wenn es tatsächlich der Rattenschwanz ist, dann leg das Konzept der Lern- und Prüfungszeit zunächst zur Seite und schaffe eine Basis, in der das Konzept einfach integriert werden kann.
Groß denken, klein anfangen…
Wenn Du das Prinzip der Lern- und Prüfungszeit interessant findest, dann probiere es aus und lasse Dir von Deinen Schülerinnen und Schüler ein Feedback geben. Sprecht gemeinsam über das Konzept und dessen Sinnhaftigkeit. Du muss ja nicht gleich Deinen ganzen Unterricht über den Haufen werfen!
Mach einfach mal ein „Experiment“ für eine Sequenz Deines Unterrichts. Lasse die Schülerinnen und Schüler wissen, dass Sie zu einer bestimmten Zeit lernen dürfen, Fragen stellen dürfen und auch einfach mal aus dem Fenster gucken dürfen ohne, dass Sie mit Konsequenzen rechnen müssen. Und wenn eine Schülerinnen das dann mal macht – das Aus-dem-Fenster-gucken – dann horche mal in Dich hinein, wie es Dir dabei geht. Denn es kann schon sein, dass Du zu ihr hingehen willst und sie ermahnen möchtest. Nimm das wahr und sage Dir: „Sie ist ein autarkes, lernendes Wesen. Sie macht genau das, was für sie gerade wichtig und richtig ist.“ Beobachte auch, wie die Schülerinnen und Schüler reagieren, wenn es dann in die Prüfungszeit geht. Lass mich an Deinen Erfahrungen teilhaben.
- Was ist für Dich die echte Herausforderung bei der Etablierung des Prinzips der Lern- und Prüfungszeit?
- Was hat Dich am meisten Energie gekostet, als Du das Prinzip in Deinem Unterricht etabliert hast?
- Obwohl das doch schneller geht, als man denkt… 😉 https://www.youtube.com/watch?v=ZVIYL7yg6io [↩]