Monat: September 2015

HerrSpitau.de > 2015 > September

Nein, alles war gut

AllesGut

Prüfend hielt er seinen Fuß in die Kabine. Das Wasser hatte die richtige Temperatur erreicht. Die Dusche tat richtig gut. Nach und nach löste das heiße Wasser seine verspannten Muskeln. Sie fand die Wohnung eben toll und so musste der gesamte Hausstand in den vierten Stock getragen werden. Er duschte länger als nötig. Das Badezimmer war mit Nebelschwaden durchzogen. Mit dem Handtuch säuberte er den Spiegel, dann betrachtete er sich. »Gut siehst du aus«, dachte er. »Fehlt nur noch der Kinderpo im Gesicht.« In langsamen, gleichmäßigen Bahnen befreite er sein Gesicht von den Stoppeln der Nacht. Kein Blut, keine Pickel, keine Schnitte. Perfekt! Der Spiegelschrank öffnete sich, er griff zum alltäglichen Aftershave, drehte den Deckel ab, harrte eine Sekunde inne, drehte den Deckel wieder drauf und stellte die Flasche zurück in den Schrank. Beherzt griff er nach dem Flakon mit dem teuren Duftwasser aus Paris. Handgemachtes für einen besonderen Anlass.

Den Anzug hatte er gestern Abend bereits rausgelegt. Eine Maßkonfektion aus seiner Heimatstadt. Nicht so edel wie der Zwirn eines Herrenschneiders, aber immer noch eine Maßanfertigung. Dazu ein gutes Hemd und eine Seidenkrawatte. So ausgiebig wie die letzten Tage war das Frühstück nicht, denn der Termin löste einen gewissen Druck bei ihm aus. Sowohl zeitlich als auch in der Magengegend. Ein Blick auf die Armbanduhr. Viel braucht er ja nicht mitzunehmen. Schlüssel, Handy und die Bewerbungunterlagen: nochmals die Kopien seiner Abschlüsse und Auszeichnungen, aber eigentlich hatten die ja schon alles bekommen. Ein letzter Blick in den Spiegel im Flur. Krawatte war gerade, Kinderpo im Gesicht, Schuhe sauber, die Haltung aufrecht. So konnte es losgehen.

Auch wenn er nicht in Eile war, die vier Stockwerke nahm er dynamisch und schnell. Auf den letzten Stufen angekommen, sah er eine ältere Dame an der Haustür, die gerade das Haus verließ. Um diese nicht mit der Schnelligkeit der Jugend zu irritieren und auch einen guten Eindruck bei der neuen Nachbarin zu hinterlassen, bremste er sofort ab. Die letzten Stufen nahm er anständig und in gesitteter Geschwindigkeit.

Freundlich begegnete er der Dame mit einem: »Guten Morgen!« Ein wenig erschrocken drehte sie sich um und schaute ihm in die Augen. »Ich bin der neue aus dem 4. OG. Schön Sie kennenzulernen.« Ohne seinen Gruß zu erwidern, drehte sich die Dame zur Haustür. Sie öffnete sie weit genug, um hindurchzuhuschen und lies die Tür hinter sich wieder ins Schloss gleiten. Seine Schritte beschleunigten in Richtung Haustür. Auf dem Bürgersteig sah er die Dame in Richtung Innenstadt gehen. Der Geldautomat lag in der anderen Richtung.

Ein starrer Blick auf die Symbolik über dem Kartenschlitz an der Eingangstür, ein konzentriertes Schauen auf seine Karte. Die Karte glitt in den Schlitz und der Summer, der die Tür öffnet, summte. Eine junge Mutter mit einem Mädchen kam ihm entgegen. Das Kind mag um die drei Jahre alt gewesen sein und starrte ihn stechend an. Ein breites Grinsen machte sich in seinem Gesicht breit. »Hallo kleine Dame.« Die Mutter schaute ihn nur aus dem Augenwinkel an, ging zügig einen Schritt vor ihre Tochter, legte eine Hand in ihren Rücken und schob sie langsam aber sicher in Richtung Ausgang. Das Mädchen mit den Pipi-Langstrumpf-Zöpfen löste seinen Blick nicht. Die Mutter vermied jeglichen Augenkontakt mit ihm. Auf dem Weg zum Geldautomaten drehte er sich nochmals um, lächelte und zwinkerte dem Mädchen zu. Dieses zwinkerte zurück und grinste breit. Als der Automat das Geld ausspuckte, warf er einen Blick auf seine Uhr. Sie verrat ihm, dass er sich sputen musste, um den Bus zu bekommen.

Forschen Schrittes ging er in die Richtung der nächsten Bushaltestelle. Sein Bus sollte erst in 4 Minuten kommen, es stand aber schon ein Bus in der Haltebucht. Der letzte wartende Fahrgast stieg gerade die Stufen hoch. Kurzentschlossen rannte er im Laufschritt auf den Bus zu. Ein paar Minuten eher da zu sein, kann ja nicht schaden.

Durch den Außenspiegel nahm der Busfahrer Blickkontakt auf. Ein Lächeln war erkennbar. Mit trippelnden Schritten bremste er vor der Tür des Buses ab, als das typische Geräusch zum Schließen der Tür erklang. Direkt vor seiner Nase berührten sich die Gummilippen der Flügel. Freundlich, aber bestimmend, klopfte er an die Scheibe der Tür. Langsam wendete sich der Busfahrer ihm zu, grinste ihn an und zeigte ihm demonstrativ seine Armbanduhr. Der Bus entfernte sich von der Haltestelle. Die Passagiere blickten aus den Fenstern und beobachteten den Stehengelassenen.

Kleine Tropfen trafen ihn an der Nase. Um nicht durchnässt zu einem Vorstellungsgespräch zu kommen, stellte er sich unter den Unterstand. Langsam kamen weitere Fahrgäste. Sie hielten sich außerhalb des Unterstandes auf und blieben im Regen stehen.

Der Bus fuhr langsam in die Bucht, die im Regen Wartenden stiegen ein. Er war der letzte Fahrgast. Er teilte dem Busfahrer mit, zu welcher Station er gefahren werden wollte. Der Busfahrer nuschelte sich etwas in den Bart. »Entschuldigen Sie bitte«, sagte er, als er den Fünfziger aus seinem Portemonnaie zieht, »aber leider habe ich es nicht kleiner.« Die Mine das Busfahrers änderte sich schlagartig von einem neutralen auf einen genervten Status. Eine gefühlte halbe Ewigkeit starrte der Busfahrer in seine Augen. Ein langsamer Augenaufschlag löste die Starre und ließ den brummeligen Alten zum Mikrofon greifen.

»Sehr geehrte Fahrgäste, die Weiterfahrt verzögert sich um einige Minuten, weil der Herr hier nicht in der Lage ist, passendes Kleingeld bereitzuhalten.« Er spürte, wie sich 27 Augenpaare auf ihn fixierten. Jedes einzelne geladen mit einer Portion Vorwurf und sarkastischem Dank.

Der Busfahrer stand behände auf, griff auf die Ablage über ihm und holte eine kleine Schachtel heraus. Gelassen und ruhig zählte er einige Scheine ab, legte diese auf die Kassenvorrichtung, schloss den Deckel der Schachtel, stellte diese auf den Platz zurück und setzte sich wieder. Seine Hand griff zu dem Bündel Scheinen. Er begann sie abzuzählen und hielt sie dem neuen Fahrgast hin. Konzentriert drückte der Busfahrer die Hebel am Rückgeldautomaten, so dass das Rückgeld in den Münzbehälter rutschte. Nun erfolgte nur noch die Eingabe in den Fahrscheindruckautomaten und der Fahrschein konnte dem Fahrgast übergeben werden. »Vielen Dank!«

Der Busfahrer schaute ihn weiterhin stechend an. Der Bus fuhr an. Mit Geldscheinen, Münzen und Fahrschein bewaffnet torkelte er durch den fahrenden Bus. Die Augenpaare hatten sich, bis auf wenige Ausnahmen, noch immer nicht von ihrer Fixierung gelöst.

Ein freier Sitzplatz strahlte ihn an. Der Bus fuhr in eine Kurve und von der Fliehkraft wurde er quasi auf den freien Sitz katapultiert. Durch den Schwung setzte er sich auf einen Teil der Jacke des älteren Herrn neben ihm. Dieser baute sich auf und zog demonstrativ seine Jacke unter dem fremden Hintern weg. »Pass doch auf wo Du dich hinsetzt«, raunt der alte Mann zu seinem neuen Sitznachbarn. »Du hast doch auch Augen im Kopf!« »Entschuldigen Sie bitte, ich bin durch die Kurve…«, weiter kam die Entschuldigung nicht. Der ältere Mann stand verärgert auf und stellte sich demonstrativ vor den Bereich der Tür. Beim Vorbeigehen trat er, beinahe zufällig, auf die frisch geputzten Schuhe. Jedes Wort der Entschuldigung fehlte. Es schien nur Dreck an der Oberfläche zu sein. Er rieb den Schuh am Hosenbein der Wade, um den alten Glanz wieder hervorzuholen. Verträumt schweifte sein Blick aus dem Fenster. Die nasse Straße, das trübe Wetter, die hetzenden Menschen. Irgendwie konnte das einen schon depressiv machen.

Von der Bushaltestelle war es nicht weit zum Bürogebäude, in dem das Vorstellungsgespräch stattfand. Das Gebäude machte einen sehr modernen und funktionellen Eindruck.  Als er durch die Tür trat, wurde sofort der Portier auf ihn aufmerksam. Er winkte und rief quer durch die Empfangshalle: »Endlich kommt ein Neuer, hier sieht es ja auch schon überall aus wie Sau.« Sich umschauend, ging er auf die Kabine des Portiers zu. »Entschuldigung?« »Ja, wie siehst Du denn aus? So chic war hier noch keiner, der sich auf den Job beworben hat. Aber wird auch Zeit, dass die Mädels mal Verstärkung bekommen.« »Ich verstehe nicht ganz.« Verstört holte er aus seinen Unterlagen die Einladung für das Vorstellungsgespräch hervor. Auf dem Briefbogen prangte in großen Lettern „WOC-CONSULTING“. Der Portier schielte mit einem Augen auf den Briefkopf. »Können Sie mir bitte mitteilen wo sich die Firma „WOC-CONSULTING“ befindet?« Verdutzt und offensichtlich peinlich berührt,  zeigte der Portier auf den Fahrstuhl. »2. OG, dann links – Raum: 2.110 – Sie werden erwartet.«

Zaghaft klopfte er an die Tür. Eine freundliche Männerstimme rief: »Herein.« Seine Hände waren kalt und nass, die Knie ein wenig weich und wieder spürte er den Druck in der Magengegend. Langsam atmete er dreimal durch. Diese Stelle könnte sein Leben verändern. Endlich ankommen, vielleicht eine Familie gründen, ein kleines Eigenheim. »Sie dürfen gerne herein kommen«, weckte ihn eine Stimme aus dem Tagtraum. Die Klinke wurde von der eiskalten Hand gedrückt, die Tür öffnete sich. Er sah einen Mann aus dem Fenster schauen. Er hatte ein Mobiltelefon in der Hand und schien, zu telefonieren. »Nehmen Sie ruhig Platz«, rief er durch den Raum, ohne den Blick vom Fenster zu nehmen. Völlig unerwartet sagte er: »Okay Schatz, mein Termin ist da, ich rufe Dich später nochmal an.« Im Umdrehen begrüßte er seinen Gast: »Herzlich Willkommen bei WOC-CONSULTING, ich freue mich Sie begrüßen zu dürfen Herr…«, er vertummte mitten im Satz, als er seinen Gast erblickte.

Die gesamte Dynamik, die den Herrn bisher ausgemacht hatte, verschwand. Die Arme hingen links und rechts am Körper herunter. Sein Telefon glitt langsam und lautlos aus seiner Hand auf den Schreibtisch. In diesem Moment öffnete sich die Tür und ein anderer Mann betrat den Raum. Dieser Schritt sofort auf den erstarrten Mann zu, klopfte ihm auf die Schulter und fragte: »Na, ist der Bewerber schon da?« Er nickte. Die Starre löste sich und beide Männer gingen auf den Tisch zu, an dem der Bewerber Platz genommen hatte. Sie setzten sich zu ihm und stellten sich vor.

»Ja, haben Sie schon mal in einem so großen Betrieb gearbeitet?«

»Nein, bisher noch nicht, aber ich kann mir gut vorstellen, hier zu arbeiten. Ich habe meinen Abschluss an der Uni exakt in dem Themenbereich gemacht, in dem Sie…«, weiter kam er nicht. Er wurde unterbrochen.

»Das ist schade, wir brauchen unbedingt jemanden mit Erfahrungen auf dem Gebiet.«

»Oh ja, die habe ich ja!«, erholte einige Zettel aus seinen Unterlagen. »Meine letzte Forschungsarbeit, die in diesem Jahr ausgezeichnet wurde, zeigt ja besonders…«

»Praktische Erfahrungen — Theoretiker können wir nicht gebrauchen!« Der später dazugekommene Mann stand auf und reichte dem Bewerber die Hand. »Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben.«

»Aber es war doch aus meinen Unterlagen, die ich ihnen geschickt habe, ersichtlich, dass ich noch nicht so viel Berufserfahrung habe.«, versuchte er die Situation noch zu retten. Er sah nur noch den Rücken des Mannes auf dem Weg raus aus dem Büro. Der andere Mann stand nun auch auf. Er verzog das Gesicht und zuckte mit den Achseln, als wollte er sagen: ›Er ist der Boss, ich bin nur eine kleine Leuchte…‹.

Dann streckte er die Hand aus und sagte: »Da scheinen wir ihre Unterlagen nicht genau gelesen zu haben. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag und weiterhin viel Erfolg bei der Suche nach einem Job.« Das Gespräch war beendet.

An die Rückfahrt nach Hause konnte er sich nicht mehr erinnern, er war wie benebelt. Fest hatte er damit gerechnet, die Stelle zu bekommen. Alles passte so gut zusammen. »Aber gut, vielleicht brauchen die wirklichen einen mit praktischen Erfahrungen und haben meine Bewerbung nur überflogen«, dachte er, als er die Wohnungstür aufschloss.

»Na, wie war’s?«, schrie sie als sie die Tür hörte. »Wie war dein Vorstellungsgespräch?« Sie kam in den Flur gerannt.

»Ich habe keine praktische Erfahrungen, darum stellen die mich nicht ein.«

Das hoffnungsvolle Strahlen wich aus Ihrem Gesicht. Das Spültuch in ihrer linken Hand ließ sie zu Boden fallen. Versteinert schaute sie ihm in die Augen. Die Zeit fror ein.

»Die Arschlöcher! Das ist doch nur eine scheinheilige Ausrede!«

»Nein, nein! Das stimmt nicht. Die waren wirklich nett. Und ich kann auch verstehen, dass ein solches Unternehmen Leute haben will, die wissen, wie das Geschäft läuft.«

»Aber das weißt DU doch. Du hast als Jahrgangsbester abgeschlossen, deine Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet. Du bist ein Spezialist. Das sind rassistische Arschgeigen, das ist alles.«, wütend trat sie gegen den Schrank im Flur.

»Wir hätten hier nicht hinziehen dürfen«, flüsterte sie weinerlich. Sie ging auf ihn zu, gab ihm einen Kuss, nahm ihn besorgt in den Arm und hauchte liebevoll, mit einem sich entschuldigenden Unterton: »Und? Wie war Dein Tag sonst? Gab es sonst irgendwelche Probleme?«

»Nein, war alles gut!«

Nein, alles ist gut – zum Herunterladen als PDF

Werbung in Bildungseinrichtungen

Werbung in Bildungseinrichtungen

Ja, es kann sein, dass ich ein Spielverderber bin – das macht mir aber gar nichts aus. Ich möchte nur, dass man kurz über den das Vorgehen nachdenkt und sich dann selbst entscheidet, wie man das Ganze findet.

Vor nicht allzu langer Zeit kam meine Tochter nach dem Kindergarten nach Hause und erzählte von zwei Männern die dort waren und mit den Kindern gezaubert hätten. Außerdem hatten Sie eine Schlange und auch ein Babykrokodil dabei. Die Schlange durfte gestreichelt werden. Diese Männer waren von einem Zirkus, der gerade in der größeren Stadt der Gegend gastiert. Natürlich bekamen die Kinder jeder eine Freikarte für ein Kind und einige Ermäßigungkarten in Anzahl der Familienmitglieder.

Zunächst einmal muss ich sagen, dass ich einen Zirkus in der heutigen Zeit nicht mehr gut heißen kann, wenn dort Tiere gehalten werden.1 In der Regel werden diese unter den schrecklichsten Bedingungen gehalten und auch das Training innerhalb des Zirkus hat den Ruf, nicht besonders gut zu sein.

Abgesehen von dieser – vielleicht für den einen oder anderen übertriebenen – politischen Korrektheit, habe ich auch das Geschäftsgebaren dieses Unternehmens hinterfragt. Wie würden Eltern und Erzieherinnen reagieren, wenn anstelle des Zirkus zum Beispiel Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von einer großen Kette von Spielzeugläden in den Kindergarten kämmen und dort die neuesten Spielzeuge vorstellen würden. Zum Ende der Spielzeugvorführung gäbe es noch Gutscheine, für die Kinder und die Geschwister.

Um das Ganze noch deutlicher zu machen, wie wäre es, wenn jeden Monat ein anderes Fastfood-Unternehmen in den Kindergarten käme, vorstellt was gerade in den verschiedensten Aktionen für die Kinder als Spielzeug bereitgestellt wird und auch dort Gutscheine zur Verfügung gestellt würden…

Ich bin mir sicher, dass an dieser Stelle Eltern, Erzieherinnen und Erzieher auf die Barrikaden gehen würden.

Obwohl… Würden Sie das? – Oder würde sich die Masse bei Macces einen Burger reinziehen, um nachher neue Bausteine mit Elfen und Ninjas zu kaufen?

  1. Gerade wenn es um Wildtiere geht, die dann unter Umständen nicht aus unseren Breitengraden stammen. Wer möchte, kann sich ja mal ein bisschen informieren: https://www.peta.de/themen/Zirkus. []

Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert…


Pläne
sind gut. Man kann sich so schön daran orientieren und diese von oben nach unten abarbeiten. Aber leider kommt in der Regel das Leben dazwischen. Da ist es immer gut, einen Plan B im Kopf zu haben. Aber auch der ist nicht immer mit Erfolg gekrönt. Meistens hat man dann keinen Joker mehr in der Hand, der diese ganzen Eventualitäten abdeckt und man möchte sich auf den Boden schmeißen, heulen oder einfach nach Hause ins Bett gehen. Was dann gefragt ist, ist reine Handlungskompetenz. Dieses Video zeigt deutlich, was ich meine.

Aber wie bekommt man diese Handlungskompetenz, um in neuen Situationen professionell und situationsgerecht zu handeln?

Ich bin fest davon überzeugt, dass man sich in möglichst viele neue und unerwartete Situationen begeben, diese durchleben und dann reflektieren sollte. Wenn einem die eigene Handlung dann nicht gefallen hat oder sie nicht zielgerichtet war, kann man diese eine Situation vor dem geistigen Auge mehrere mal anders durchspielen und durchdenken, wie die Situation dann ausgegangen wäre.

Hier ist aber nicht um das übliche Echauffieren vor Freunden, nach dem Motto: „Dann hätte ich sagen können, dass er selbst ein Idiot ist…“ gemeint, sondern immer ein lösungs- und zielorientierter Ansatz.

Außerdem sollten wir eine Gelassenheit an den Tag legen, denn die Dinge sind eben so, wie sie sind und können in der Struktur nicht geändert werden. Wichtig ist unser Umgang damit.

Meine Baustelle

Mir ist im letzten halben Jahr passiert, dass ich zu zwei Veranstaltungen, die ich als Leiter begleiten sollte, zu spät oder sehr, sehr pünktlich kam.1 Diese Art der Abweichung von meinem Plan, hat mich ordentlich durcheinander gebracht.

Ich war die erste Zeit komplett durch den Wind und musste mich im Verlauf des Tages langsam sammeln. In der Reflexion zeigte sich, dass ich diese Wuschigkeit nicht an den Tag legen muss, da in der Regel die Seminartage bei mir so gut vorbereitet sind, dass ich mich auf meine Technik und meine Aufzeichnungen verlassen kann. Selbst wenn diese versagen, bin ich mir mittlerweile sicher im Zugriff auf meine Handlungskompetenzen.2

Kognitiv habe ich das für mich klar. Ich bin aber gespannt, wenn ich das nächste Mal zu spät oder sehr pünktlich komme, ob ich dann noch immer so gelassen bin. Auf jeden Fall habe ich ein Handlungsrepertoire, auf das ich zurückgreifen kann.

Wiedereinmal zeigt sich, dass Reflexion eines der wichtigsten Werkzeuge zur Erzeugung von Professionalität ist und auch das reine Durchspielen von Situationen im Kopf einen Sinn macht. Das Gehirn erkennt den Unterschied der echten Situation und der Vorstellung nicht und hat somit Handlungsmuster erlebt und unter Umständen parat, wenn man Sie braucht.

  • Wie gehst Du mit ungewohnten, neuen Situationen um?
  • Hast Du Handlungsstrategien im Umgang mit Unerwartetem?
  1. Das eine Mal habe ich mich während der Fahr ablenken lassen und das andere Mal hat mein Navi einen sehr unorthodoxen Weg gewählt, der mich sehr viel Zeit gekostet hat! []
  2. Stichwort: Steine im Fluss. []