Copyright in der Schule

HerrSpitau.de > Bildung > Copyright in der Schule

In meiner kleinen Welt kann ich es nicht verstehen, dass es tatsächlich für staatliche Bildungseinrichtungen Auflagen gibt, wann man und wie oft man aus Printmaterialen Kopien anfertigen darf oder welche Filme man im Unterricht zeigen darf. Wie kann es sein, dass für die Bildung unserer nachfolgenden Generationen Grenzen bestehen, diese mit notwendigen Informationen zu versorgen?

Status quo

Es gibt bestimmte Regeln, nach denen aus Büchern Teile kopiert werden dürfen, die im Unterricht eingesetzt werden. Diese Regeln werden im Netz mit lustigen Smileys verkauft und als Errungenschaft angesehen. Das ist es in meiner Wunschwelt aber nicht, es ist ein Schlag ins Gesicht der freien und nachhaltigen Bildung!

Und ich bin mir nicht sicher, ob in den meisten Schulen diese Regeln zu 100 % beachtet werden. Denn um diese Regeln wirklich einzuhalten, müsste eine weitere Verwaltungsaufgabe auf die Verwaltungsfachangestellten Pädagogen abgewälzt wird, fällt doch gar nicht mehr auf.

Meine Wunschwelt

Ob nun auch die privat gekaufte DVD im Klassenzimmer gezeigt werden darf oder nicht darf im meiner Wunschwelt von Bildung und Nachhaltigkeit in keiner Weise diskutiert werden, sondern es muss gemacht werden, wenn es dem Thema dienlich ist! Ohne Rücksicht auf Verluste!

Wenn Verlage nun auf die Ideen kommen, endlich elektronische Schulbücher zu entwickeln, bekomme ich in der Regel Ausschlag. Was da in den meisten Fällen1 gemacht wird ist, die alten Inhalte der Bücher in tolle proprietäre Apps zu packen, in ein PDF zu wandeln oder mal ein Video hinzuzufügen. Wir pressen die analogen Inhalte in die digitale Welt und verkaufen des Kaisers neue Kleider. Einen Mehrwert gibt es (außer für die Verlage) sehr selten.

Echten Mehrwert hätte ein elektronisches Schulbuch, wenn es digitale Attribute nutzen würde

  • wenn es von Nutzern veränderbar,
  • erweiterbar2 oder
  • wenigstens diskutierbar wäre.
  • Es müsste für alle und jeden zugänglich sein und das impliziert auch, dass die genutzten Dateiformate freie Formate sein müssen, die potentiell auf jedem Gerät les- und veränderbar sind.
  • Es müsste in einen normalen Workflow eingebettet werden können.
  • Die Daten müssten auch NACH Besuch der Bildungseinrichtung den Schülerinnen und Schüler zur Verfügung stehen – ohne Abo-Kosten-Falle.

Vision vs. Wirklichkeit

Sollte ein solches utopisches Schulbuch entstehen, gibt es auch hier wieder Probleme mit den obigen Kopierrechten! Wenn ich ein gutes Bild in der Zeitung finde, einen Artikel oder ein Kapitel in einem Buch, dass für dieses elektronische Schulbuch von Wichtigkeit wäre, müsste ich es einbinden können – einfach so, ohne Angst vor dem Knast.

Und das ist das Problem, warum viele freiwillige Projekte nicht richtig funktionieren. Es gibt in vorhandenen Büchern großartige Abbildungen, die häufig mit schrecklichen Texten versehen sind.3 Diese Abbildungen dürfen aber nicht genutzt werden. Im alltäglichen Geschäft kopiert man sich dieses Bild dennoch, schnippelt es aus und klebt es auf ein Arbeitsblatt. Fertig. Wenn man dieses Arbeitsblatt dann für diese Plattform zugänglich machen wollte, dann müsste man es neu entwerfen, selbst zeichnen, die Rechte klären oder oder oder.

Ein bürokratischer Aufwand, der in keiner Weise von den Kolleginnen und Kollegen zusätzlich zur Dienstverpflichtung geleistet werden kann und den Schülerinnen und Schülern gutes und ordentliches Material vorenthält.

Der schnöde Mammon

Auch lässt sich mit dem Utopie-Konzept von oben kein Geld verdienen. Somit wird sich kein Verlag darum kümmern, dass eine solche Plattform ins Leben gerufen wird. Es gibt sicher bereits laufende Projekte, die in diese Richtung gehen, die dann global gesehen doch eher Liebhabereien sind und wenig Bedeutung im Schulalltag haben.

  • Ist es nicht schrecklich, dass die Bildung unserer nachfolgenden Generationen zu einem reinem Konsumgut verkommt?
  • Ist es nicht schrecklich, dass die Lehrerinnen und Lehrer des staatlichen Bildungssystem nicht in der Lage sind, das im Unterricht zu nutzen, was die Schülerinnen und Schüler brauchen, ohne mit einem Bein im Knast zu stehen?
  • Ist es nicht schrecklich, dass die Bestimmungen im Gänze an der Realität vorbei gehen?

Nicht, dass wir uns hier irgendwie falsch verstehen, es geht hier nicht um den Aufruf zum zivilen Ungehorsam, sondern einzig um die Vorstellung eines Teils meiner Utopie, wie Schule in der heutigen Zeit arbeiten müsste: Offen, Gemeinsam und mit einer echten Kopierfreiheit für die Bildung.

Dieser Artikel war ursprünglich als Beitrag für die Bildungspunks im Juni gedacht, leider kam da so einiges dazwischen, dass ich ihn erst jetzt fertig bekommen habe…

  1. Jedenfalls habe ich noch nichts anderes mitbekommen. []
  2. Stichwort: Notizen machen []
  3. Oder andersherum. []

5 thoughts on “Copyright in der Schule

  1. Diesem Artikel kann ich nur zustimmen. So und so viel Prozent einen Buches, aber nicht mehr als x Seiten … besser, die SchülerInnen kaufen das Buch. Ja, das kann man den SchülerInnen empfehlen, erscheint mir aber angesichts folgender Punkte nur in ganz wenigen Ausnahmefällen sinnvoll:
    – viele Lehrbücher enthalten Fehler, am häufigsten noch als fehlerhafte oder nicht eindeutig korrekte Beispiele.
    – imgrunde kein Lehrbuch kann ich für ein ganzes Schuljahr verwenden, ich brauche erst ein paar Seiten aus einem Buch, dann ein paar Seiten aus einem zweiten Buch und so fort. Im Schuljahr verwende ich innerhalb desselben Unterrichtsmoduls nicht selten 5 oder 6 Lehrbücher.
    – die Schülerinnen stöhnen schon bei 15€ Kopiergeld im Jahr. Wie wird es erst sein, wenn sie 5 Bücher pro Fach/Modul kaufen sollen?
    – die Inhalte der Lehrbücher sind in der Regel Allgemeinwissen, aus meiner Sicht ein Allgemeingut. Das nicht vervielfältigen zu dürfen, ist kaum nachzuvollziehbar. Dafür sollte es freizugängliche Literatur geben.

    Zu diesem Thema gibt es allerdings einen Punkt, der mich noch mehr anstinkt. Die Reportagen und Dokumentationen der öffentlich-rechtlichen Sender können zwar online für begrenzte Zeit in der jeweilige Mediathek angesehen, aber nicht heruntergeladen und damit über unbegrenzte Zeit unterrichtlich genutzt werden. Aus meiner Sicht ist das eine Frechheit. Es sollte selbstverständlich sein, dass Sendungen, die aus Rundfunkbeiträgen finanziert werden, legal in den Unterricht einfließen können. (Und nein, an unserer Schule gibt es weder LAN noch W-LAN in den Klassenräumen, ich bin auf den Download angewiesen.)

  2. Das Tool kenne ich. Das ist auch so „halblegal“. Ich hätte gerne klare Verhältnisse „PRO Unterricht“. Alles andere ist doch einfach nur peinlich für eine Möchtegern-Bildungsnation.

    1. Ich weiß, was Du meinst und bin mir sicher, dass es in absehbarer Zukunft keine „PRO Unterricht“ Veränderungen geben wird, solange Bildung und Kommerz noch so eng verzahnt ist, wie es im Moment ist.

Schreibe einen Kommentar zu MAWSpitau Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert