Das Dilemma mit den Lösegeldern

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Wenn man den Presseclub auf der ARD am Sonntag den 5. August 2007 verfolgt hat, wird man sich sicherlich selbst erwischt haben, wie man sich die eine oder andere unmoralische Frage gestellt hat. Das Thema der Stunde war „Geld für Geiseln – Müssen wir mehr Härte zeigen?„. Geladen waren Bascha Mika (Chefredakteurin der taz), Helmut Markwort (Chefredakteur und Geschäftsführer des Focus), Klaus Schrotthofer (Chefredakteur der Westfälischen Rundschau) und Robin Mishra (Leiter des Hauptstadtbüros beim Rheinischen Merkur).

Keiner sagt es – alles wissen es

Gleich zu Beginn wurde von der Moderatorin (Monika Piel) festgestellt, dass die Bundesregierung bei Geiselnahmen im Ausland immer wieder Lösegelder zahlt, auch wenn die Verantwortlichen immer betonen, dass Deutschland nicht erpressbar sei. Dass diese Aussage eine Frage der Definition ist, wurde in der Sendung von Frau Mika so interpretiert, dass sich die Erpressbarkeit nur auf die politischen Ziele, zum Beispiel auf den Abzug von deutschen Truppen reduziert, nicht aber auf Zahlungen oder Geldtransfers. Ich denke aber, dass der Bürger in diesem Fall nicht so präzise unterscheidet und sollten wirklich Gelder geflossen sein, diese Aussage der Bundesregierung als Lüge bewertet.

Dass in einigen Fällen Gelder gezahlt worden sind, stellte keiner der Beteiligten in Frage. Ist es da nicht verwunderlich, dass diese Zahlungen nicht durch die Presse gegangen sind oder wenn sie genannt wurden, dann jedenfalls nicht in den Schlagzeilen? Muss man der freien Presse an dieser Stelle unterstellen, dass sie gar nicht so frei ist?

Die freie Presse

Herr Markwort stellte fest, dass es Abkommen zwischen der Deutschen Bahn und der Presse gibt, sodass nicht über Suizide berichtet wird, die sich von einem Zug haben überrollen lassen haben – man hat Angst vor etwaigen Nachahmern. Wenn schon Abkommen zwischen der Presse und Wirtschaftsunternehmen bestehen, ist dann nicht davon auszugehen, dass auch abkommen zwischen der Presse und der Regierung bestehen? Ich denke, solche Abkommen sind real und alltäglich.

Aber wenn es solche Abkommen wirklich gibt, welchen Sinn machen sie dann?! In der Bevölkerung Deutschlands bleibt das Bild der nicht erpressbaren Regierung bestehen. Man stellt sich als Bürger zwar schon die Frage, warum die Geiseln urplötzlich doch entlassen werden, aber nach den Gründen suchen die wenigsten, denn die Menschen sind von ihrem Leid befreit und das ist die Hauptsache.

Wie aber wirkt das Ganze auf Staaten außerhalb Deutschlands? Ich kann mir nicht vorstellen, dass es sich unter den Schurken nicht relativ schnell herum spricht, welcher Staat Gelder für seine Bürger fließen lässt und welcher nicht. Sind die Gelder, die gezahlt werden dann nicht eher eine Einladung an alle potentiellen Geiselnehmer deutsche Geiseln zu nehmen? Was geschieht denn mit dem Geld, das gezahlt wurde? Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Taliban ein neues Einfamilienhaus kauft läuft doch gegen Null. Sicherlich werden von diesem Geld eher Waffen gekauft, Polizisten bestochen oder sonst irgendwelche zwielichtigen Geschäfte gemacht.

Das Dilemma

Die Regierung steckt hier in einem Dilemma welches nicht nur politischer, sondern auch ethischer Natur ist. Wenn sie sich auf keine Verhandlungen, und damit verbunden in letzter Konsequenz auf keine Zahlung einlässt, spielt sie mit dem Leben von Bundesbürgern. Lässt sie sich auf ein Geschäft ein, dann macht sie sich käuflich, bestechlich und verliert ihre Glaubhaftigkeit.

Objektiv betrachtet, dürft man weder Zahlungen leisten, noch in irgendeiner Art mit den Geiselnehmern in Kontakt treten. Jede Aktion kann und wird, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, von den Kriminellen falsch verstanden und schürt nur Aggressionen. In letzter Konsequenz würde dieses aber zum Tode der Geiseln führen. Und dort kommen wir zu der unmoralischen Frage, auf die ich eingangs schon hinwies.

Die unmoralischen Fragen

Ist ein einziges Menschenleben weniger Wert, als das von vielen anderen? Darf man einen Menschen opfern, um eventuelle neue Geiselnahmen und Tote zu verhindern? Wer darf entscheiden, ob man diesen Menschen seinem Schicksal überlässt?

Würde man keine Gespräche mit den Geiselnehmern aufnehmen, überließe man die Geiseln dem sicheren Tode. Die Regierung hätte aber damit Stärke und Nicht-Erpressbarkeit bewießen, die Geiselnehmer hätten keine Finanzspritze bekommen und Nachahmungstäter würden nicht gezielt deutsche Bürger entführen. Damit wäre zwar nicht die kranke Kriminalität der Geiselnehmer aus der Welt geschaffen, aber man würde kein zusätzliches Öl ins Feuer schütten oder andere Kriminelle auf dumme Gedanken bringen.

Wahrscheinlich ist die meine Kausalitätskette zu einfach gestrickt um sie auf internationale Beziehungen anzuwenden, dennoch sind oftmals die simplen Sachverhalte die am schwierigsten zu handhabenden.

Die Bundesregierung hat in diesem Fall ein wirkliches Dilemma, aus welchem sie augenscheinlich nur mit einer Lüge herauskommt – der Lüge, dass sie öffentlich bekannt gibt nicht erpressbar zu sein, sie es aber augenscheinlich ist, da die Mitglieder des Presseclubs dieses als nicht zu diskutierende Tatsache darstellen.

Ob es unmoralisch ist, Millionen von Wählern zu belügen, soll hier nicht nicht diskutiert werden, ist aber eine Frage, die sich sicherlich aufdrängt.

Dieser Beitrag soll die einzelnen Geiseln nicht verhöhnen, es ist nur der Versuch ein großes Dilemma möglichst objektiv zu begutachten. Natürlich haben die Geiseln und deren Freunde und Verwandten in jeder Hinsicht mein volles Mitgefühl und ich hoffe, dass jede Geiselnahme zu einem guten Ende kommen wird.

Dieser Text ist sowohl auf Readers Edition, als auch auf Gedanken sind frei… so sagt man erschienen.

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